1924 Platz gekauft, Baugesuch, Brunnen gefasst

1925 weiterer Platzerwerb

1926 Umzäunung mit 3000 Weißdornbüschen

1927 erste Genehmigung für Bezirksschutzhütte

17.06.1928 Hüttenweihe

1930 Ziegeldach

1933 – 45 Enteignung, SA-, später HJ- und SS-Lager

1936 Kauf durch Gemeinde Bleichstetten

1949 Wiedereinweihung nach Instandsetzung und
Küchenanbau, Stromanschluss

1953 Bezirk kann nach Abschluss der Rückgabeverhandlungen
wieder frei über die Hütte verfügen

1956 zweiter Anbau mit Keller, Waschraum, Selbstkocherküche
und Wasserleitung

1978 Baugenehmigung

1979/80 dritter Um- und Erweiterungsbau

13./14.09.80 Einweihung

1991 Anfrage an Gemeinde St. Johann
Bau einer Abwasserleitung nach Bleichstetten und deren Trasse

1993 Genehmigung, Vertrag mit Schützenverein über Anschluss an die
Abwasserleitung, Gestattungsverträge mit den Grundstückseignern

März 1995 neue Trinkwasserleitung in Funktion

April 1995 Abwasserförderanlage geht in Betrieb

Febr. 2010 Baubeginn vierter Umbau
Neue sanitäre Anlagen für Frauen, behindertengerechte Toilette,
Treppenhaus und sanitäre Anlage im Schlafgeschoss erneuert und
Eingang umgestaltet

Sept. 2010 Fertigstellung

 


 

Die Geschichte der Rohrauer-Hütte zeigt uns beispielhaft den Aufstieg, die Zerschlagung, den Wiederaufbau und die Festigung unserer Organisation in den vergangenen 60 Jahren. Schon bald nach dem 1. Weltkrieg war die steigende Zahl neuer Ortsgruppen und Mitglieder in unserem Bezirk ein Zeichen des gewachsenen Selbstbewusstseins in der Arbeiterschaft. Ringsum entstanden Naturfreundehäuser als unabhängige Begegnungsstätten, und auch im Bezirk Mittlere Alb gab es dazu verschiedene Anläufe. 1923 war ein Haus in Seeburg für 250 Millionen Mark im Gespräch, und in Hülben wurde Anfang 1924 ein Gebäude für 3000 Mark angeboten. Beide Projekte wurden jedoch verworfen. Dann aber berichtet das Protokoll der Nürtinger Ortsgruppe vom 13.6.24: "Der Obmann macht uns die freudige Mitteilung, dass der Bezirksausschuss endlich einen schönen Bauplatz auf den Rutschenfelsen gekauft habe. Genosse Hofmann betont, wie schwierig es für die Bezirksleitung war, einen schönen Platz zu kaufen. Sie mussten mit den Bauern von Bleichstetten, die nicht wussten, was sie verlangen sollten, verhandeln. Vom Platz bis nach Bleichstetten sind es nur 20 Minuten. In nächster Nähe ist eine Quelle, welche noch nie versiegt war; auch eignet sich das Gelände gut zum Wintersport". Seitens des Bezirks übernahmen Ernst Hettich (sen.) und Karl Niebling aus Metzingen die Verhandlungen. Auch reichten sie nacheinander mehrere immer weiter reduzierte Baugesuche ein, denn an Ablehnungsgründen fehlte es den Behörden gegenüber den angefeindeten Naturfreunden nicht. Besonders empört war die Bezirksleitung über den Vorwand des Gemeinderates von Bleichstetten, der sich außerstande sah, die "Ausgaben für die Aufstellung einiger Feldschütze" zum Schutze der Feldflur "im Sommer bei großem Menschenandrang" zu tragen, "denn ein Feldhüter würde in solchem Fall wohl nicht richtig fungieren und einschreiten können". Die Bezirksleitung verwahrte sich gegen dieses "Kesseltreiben" und verwies vor allem auf das herzliche Verhältnis zwischen der Bevölkerung Bleichstettens und den Naturfreunden. Außerdem verweigerte der Gemeinderat die Benutzung der Feldwege und der Rutschenquelle, obwohl diese "völlig verwahrloste Wasserstelle" noch im Jahre 1924 von den Naturfreunden gefasst worden war. Sie ist bis heute nicht verändert. Der Brunnentrog musste damals mit dem Pferdefuhrwerk von Metzingen auf den Rutschenhof geschleppt werden. Das ursprünglich geplante "Unterkunftshaus mit 9 Zimmern, 3 Aborten, 1 Küche und den üblichen Zubehörräumen" konnte zwar nicht gebaut werden, (das dauerte bis 1980), ein Name war aber schon 1924 gefunden. Man benannte es nach dem 1923 verstorbenen, allseits verehrten ersten Präsidenten der Naturfreundebewegung, Alois Rohrauer, einem vorbildlichen Sozialisten von aufrechtem Gang. Aber untätig waren die Genossen nie, auch wenn sie nicht bauen durften. 1925 kauften sie weiteren Grund hinzu, um den geforderten Waldabstand einhalten zu können. 1926 pflanzten sie eine Hecke aus 3000 Weißdornbüschen und umzäunten den Bauplatz, auf dem sie für den Arbeitsdienst eine primitive Bauhütte errichtet hatten. Am 1.9.27 vermeldet das Nürtinger Protokoll: "Die Baugenehmigung zur Erstellung einer Bezirksschutzhütte ist da, und es wurde sofort mit dem Bau begonnen. Die Hütte soll noch diesen Herbst unter Dach kommen. Betreffs des Arbeitsdiensts auf dem Bauplatz sollen die Genossen, welche hinaufgehen, Werkzeuge zum Steineschlagen und dergleichen mitnehmen". Im November hieß es: "Einige Genossen sollen sich am Verladen eines alten Herdes beteiligen". Noch im selben Monat untersagte das Oberamt Urach aus unerfindlichen Gründen "die Fortsetzung der Bauausführung bis auf Weiteres." Der Kommentar der Genossen lautete: "Da ja aber bekanntlich das Haus schon im Rohbau fertig und eingeschalt ist, können die uns lange verbieten. Es liegt jetzt nur noch an den einzelnen Genossen, die angefangene Arbeit zu vollenden". Der Arbeitsdienst machte damals große Schwierigkeiten. So mancher Naturfreund musste erst 20 km und mehr zu Fuß zurücklegen, weil er in dieser Zeit der Arbeitslosigkeit kein Geld für eine Fahrkarte nach Urach hatte. Das gesamte Material wurde im Handwagen oder im Kuhfuhrwerk, selten im Pferdefuhrwerk aus Bleichstetten und zum Teil aus dem Tal herangeschafft. Wie in unseren Tagen klagte der Chronist über die beschämende Beteiligung einer Ortsgruppe am Arbeitsdienst, während andere fast jeden Sonntag mit 20 Mann oben seien. Die eifrigsten waren damals die Metzinger und die Reutlinger Genossen. Mit Ausnahme des Außenanstrichs wurde die Hütte aber doch zur feierlichen Hüttenweihe am 16./17.6.1928 fertig. Beim Bankett am Samstag in Urach "seien vor allem die Aufführungen der Uracher Arbeitersportler als glänzend hervorzuheben". Gleichzeitig zeigte Heinrich Schürmann in Bleichstetten seine vielbestaunten handcolorierten Lichtbilder. "Der Sonntag ist stark durch die miserable Witterung beeinträchtigt worden. 1500 Personen waren anwesend, mindestens 1000 hätten es mehr werden können, wenn nicht der andauernde Regen vom Besuch der Hüttenweihe abgeschreckt hätte". Die Arbeitergesangsvereine aus Urach und Metzingen umrahmten die Feier mit Liedern der Arbeiterbewegung. "Reiche Geschenke der vielen Arbeiterorganisationen" in Form von Geld und Sachspenden hielten die Verschuldung in Grenzen. Ein Jahr später konnte sogar noch ein Acker hinzugekauft werden. Im Jahr 1930 musste auf Verlangen des Oberamtes das Dach wegen der vorhandenen Feuerungseinrichtung mit Ziegeln eingedeckt werden. Die zunehmende Arbeitslosigkeit und Verarmung der Bevölkerung wirkte sich auch auf die Rohrauer-Hütte aus. Wahrscheinlich zur Schuldentilgung musste 1931 eine Hypothek über 2000 Mark aufgenommen werden. Das Jahr 1933 setzte allen öffentlichen Aktivitäten der Naturfreunde ein jähes Ende. In einer Klageschrift an die Restitutionskammer beim Landgericht Tübingen zur Rückerstattung der beschlagnahmten Hütte wurde dazu im Jahre 1949 ausgeführt: "Die sämtlichen einzelnen Gruppen des über das ganze Reichsgebiet verbreiteten Bewegung der Naturfreunde, eines sozialistischen Wanderbundes, wurden im März 1933 unterdrückt und aufgelöst. Für den Bezirksverein Mittlere Alb geschah dies dadurch, dass einfach die Schlüssel von einem Landjäger in Metzingen beim damaligen Verwalter des Heimes abgeholt und das Heim selbst von der Gendarmerie beschlagnahmt wurde. Die Kläger haben nie erfahren, ob und welche schriftlich niedergelegten Verfügungen und Beschlüsse oder ob lediglich ein Parteibefehl als Grundlage diente ... In der Folge erhielt der SS-Mann Otto Knecht, Metzingen, die Schlüssel und verfügte über das Heim ... Dann übernahm die Hitlerjugend das Heim; ein Jahr lang stand es ganz leer. Im Jahre 1936 erwarb es die Gemeinde Bleichstetten ... " Sie bezahlte dafür 2200 Mark, wovon die auf dem Anwesen lastende Hypothek getilgt wurde. Wahrscheinlich aus Mieten von faschistischen Organisationen hatte sie in der Folgezeit Einnahmen in Höhe von über 1000 RM. In den letzten Kriegstagen sollte die Hütte von abrückenden SS-Truppen angezündet werden. Nur das beherzte Auftreten eines Gestütsknechtes vom Fohlenhof verhinderte dies. Als nach dem Ende des Faschismus die ersten Naturfreunde wieder zu ihrer Hütte kamen, sahen sie mit Entsetzen, was die braunen Banden zurückgelassen hatten. Das Haus war eine Ruine, ausgeplündert bis zum letzten Stuhlbein, sämtliche Fenster fehlten, der Fußboden war teilweise verheizt worden, der Herd zerstört und die große Hecke war fast ganz beseitigt. Waren im Jahre 1933 die Staatsorgane zum willigen Arm der Faschisten geworden, so sah es mit der Wiedergutmachung nach dem dutzendjährigen Reich völlig anders aus. Uns liegen Akten vor, die in 34 Schriftstücken einen Teil der 8 Jahre lang mit allen juristischen Spitzfindigkeiten geführten Rückgabeverhandlungen belegen. Trotzdem machten sich die Genossen an die notdürftigsten Instandsetzungsarbeiten und richteten die Hütte, unterstützt durch die Gemeinde Bleichstetten und den Landkreis Reutlingen wieder wohnlich ein. Das Hüttenbuch verzeichnet für das Jahr 1948 schon fast 400 Übernachtungen. Am 6. August 1949 fand auf dem Marktplatz in Urach eine Feierstunde statt und tags darauf wurde bei der Hütte deren Wiedereinweihung festlich begangen. Wie 1928 hielt Ludwig Becker die Festansprache. Das Haus war nun nicht nur wieder bewohnbar, sondern durch einen Küchenanbau und den Stromanschluss sogar noch zweckmäßiger geworden. Nach Abschluss der Rückgabeverhandlungen und bedingt durch den immer stärker erdenden Zuspruch erholungssuchender Menschen, war ein gründlicher Umbau nicht mehr zu umgehen. Bis zum Jahre 1956 vergrößerten die Mitglieder aus allen Ortsgruppen in unzähligen Arbeitsstunden die Hütte und machten daraus ein gemütliches Haus. Bestand der Keller bis dahin nur aus einem Schacht unter dem Aufenthaltsraum, so erhielt der südlich angebaute neue Aufenthaltsraum eine Vollunterkellerung mit u. a. zwei Waschräumen und einer Selbstkocherküche. Im ersten Stock konnten die Übernachtungsräume beträchtlich erweitert werden. Statt des Leiterwägelchens mit dem Holzfass zum Wasserholen von der 333 m entfernten Rutschenquelle versorgte nun die selbstgegrabene, größtenteils in den Fels verlegte Wasserleitung vom Fohlenhof her das Haus. Ein neues Stromkabel wurde gleich mit verlegt. Bereits in den 60er Jahren gab es erneute Umbaupläne, weil die Räumlichkeiten in Größe und Ausstattung den gestiegenen Anforderungen der immer zahlreicher werdenden Wanderer nicht mehr genügten. Die Arbeitsbedingungen für den frei¬willigen Hausdienst verschlechterten sich von Jahr zu Jahr. Die Behörden bemängel¬n die sanitären Einrichtungen und drohten zuletzt sogar mit der Schließung des Hauses. Übernachtungen waren wegen des schlechten Allgemeinzustandes vor allem der älteren Haushälfte zuletzt auch nicht mehr möglich. Nicht nur einmal waren wir nahe daran, das Haus aufzugeben, war doch inzwischen das gesamte Gelände als Landschaftsschutzgebiet ausgewiesen worden. Nach langen und zähen Verhand¬lungen der Bezirksleitung mit den zuständigen Behörden konnte ein Kompromiss erzielt und die Baugenehmigung im Frühjahr 1978 erteilt werden. Das nun fertiggestellte Bauwerk wurde gegenüber dem seitherigen Haus um 4,70 m nach Norden verlängert. Der Dachfirst wurde geringfügig angehoben. Durch die geringere Dachneigung entstanden im Obergeschoß 8 geräumige Zimmer. Im Erdge¬schoss konnten der Aufenthaltsraum, die Küche und die Sanitärräume beträchtlich erweitert und modernisiert werden. Das Haus ist nun auf seine gesamte Länge unterkellert, besitzt Zentral- und Kachelofenheizung und Waschbecken mit kaltem und warmem Wasser in allen Zimmern. Es erforderte Zuversicht und Vertrauen in die Opferbereitschaft und Solidarität der Naturfreundemitglieder, als man den erneuten Bau wagte. Da unsere Organisation nur von den Beiträgen und Spenden der Mitglieder lebt und keine kapitalschweren Gönner im Hintergrund weiß, mussten wir von vornherein die mit etwa 450000 DM veranschlagten Baukosten durch weitgehende Eigenleistungen zu verringern trachten. Unumgänglich war es jedoch, eine Reihe von Arbeiten an Spezialisten zu vergeben. Die Regenwasserzisterne fasst 50000 I als Löschwasserreserve und zwei weitere Gruben mit je 30000 I Fassungsvermögen können die häuslichen Abwässer und die Fäkalien eines Vierteljahres aufnehmen. Gut ein Drittel der Bausumme liegt somit in der Erde vergraben. Mit Ausnahme der großen Maurerarbeiten, des Fenster¬- und Rollladenbaus, eines Teils der Gipserarbeiten und des Estrichlegens konnten alle übrigen Arbeiten von unseren Mitgliedern in 8000 Arbeitsstunden durchgeführt werden. Es begann mit dem Abbruch der alten Haushälfte in der letzten Juliwoche 1979. Es folgten die Arbeiten an den Fundamenten und der umfangreichen häuslichen Kanalisation. Der Bauunternehmer stellte bis Ende Oktober den Rohbau fertig, während wir bereits im Keller mit dem Innenausbau begannen. Unsere Mitglieder nahmen es sogar auf sich, die Zimmerarbeiten selbst durchzuführen. Es war ein erhebendes Gefühl, als am 7.12.1979 58 freiwillige Helfer beim Abbruch der Reste des alten Daches und beim Aufrichten des Dachstuhles zusammenarbeiteten. Wegen der gebotenen Eile musste sogar das Richtfest ausfallen, denn das Dach sollte noch vor dem Winter zugedeckt werden. Während der kalten Jahreszeit konnte der Innen¬ausbau gut vorankommen und nach Ostern war auch die Außenverschalung zur besseren Wärmeisolierung fertiggestellt. Im Sommer ließ zwar die Beteiligung am Arbeitsdienst erheblich nach, trotzdem gelang es den wenigen Getreuen, mit den vielen Innenarbeiten rechtzeitig fertig zu werden. Nun steht unser Wanderstützpunkt wieder allen Mitgliedern und Freunden offen. Wir wollen jedoch nicht, dass aus der Rohrauer-Hütte ein Hotel und der Rutschenhof zum Großparkplatz wird. Auch weiterhin werden wir Mitglieder selbst den Hütten¬dienst zur Bewirtschaftung ableisten, auch weiterhin steht das Haus gerade jenen offen, die nicht mit Schecks bezahlen, und auch weiterhin wird niemand schief ange¬sehen, wenn er sich zum Rucksackvesper nur das Getränk an der Theke holt.  Die Rohrauer-Hütte war entstanden als ein Symbol für die Entschlossenheit und Tatkraft unserer selbstbewusst gewordenen Arbeiterorganisation. Zerschunden wie wir selbst, ruiniert wie unser ganzes Volk nahmen wir sie uns wieder. Weder die Massenpropaganda der Nazi noch die Sattheit des „Wirtschaftswunders“ konnten den Geist unserer Bewegung zerstören. Unser neues Haus ist ein Zeugnis des Vertrauens der Naturfreundebewegung in die eigene Kraft.
Möge die Rohrauer-Hütte auch künftig allen arbeitenden Menschen dieses Selbstvertrauen vermitteln.
Herbert Herold